Reiterin
21 Jahre alt
Ein Albtraum; schon wieder. Es ist der dritte diese Woche - hast dir geschworen, nicht mehr zu zählen, weil's keinen Unterschied macht, ob du ihnen Beachtung schenkst oder sie ignorierst. Sie sind da. Sie lassen dich aufwachen, schweißgebadet, und dich, vollgepumpt mit Adrenalin, stundenlang durch dein Zimmer laufen. Das hast du davon. Du weißt, dass du eigentlich nicht allein sein kannst, bist es daher auch selten. Schleichst dich mit deiner offenen Art, dem breiten Grinsen und deinem unverschämt guten Look im Reiterleder nur allzu leicht auf die Räume anderer Kadettinnen - hat nicht nur Nachteile, von den Atemzügen anderer in den Schlaf begleitet werden zu müssen; hast auch was davon. Könntest du wählen, wüsstest du, was dir lieber wäre. Mit deinen Gedanken allein sein zu können. Zweifel und Ängste zulassen zu können, ohne, dass sie dich gleich beherrschen - und dein Weltbild aus dem Gleichgewicht bringen.
Du warst schon immer anders. Schwierig anders: gibt gab nicht viele Menschen, denen du dein Vertrauen schenken konntest. Noch weniger Menschen, die dich mochten, freiwillig Zeit mit dir verbrachten. Warst schweigsam, in dich gekehrt, eine Beobachterin - hast dich bewusst zurückgezogen, keinen Gruppen angeschlossen. Deinen kleinen Kreis behalten - die Menschen, die dich so akzeptieren, wie du bist warst. Hast nicht gelacht, wenn andere es taten. Nicht verstanden, wenn etwas witzig war. Hast die Dinge, an denen Gleichaltrige Freude fanden, nur schwer nachempfinden können. Mit dir macht’s keinen Spaß, weil dir die Ernsthaftigkeit ins Gesicht gebrannt worden ist noch bevor du Laufen konntest. Weißt nicht, ob’s stimmt - aber war schon immer ein beliebter Scherz, der auf deine Kosten ging. Du hast irgendwann gelernt, wie die Stimmen von Menschen klingen, wenn sie etwas sagen, was sie nicht ernst meinen. Hast dich an den Tonfall gewöhnt und daran, welchen Knopf du drücken musst, um an den richtigen Stellen zu lachen. Hast gelernt, zu funktionieren. Nicht mehr teilnahmslos und kühl zu wirken, ob du dich im Inneren doch eigentlich so fucking lebendig fühlst.
Um die Richtung, in die der Weg deines Lebens dich führen wird, hast du dir nie Gedanken machen müssen - bist dankbar darum, dass der Weg in den Reiterquadranten für dich alternativlos war. Ein Problem, eine Frage weniger, die du dir hast stellen müssen. Tauscht die blauen Flecken, die brennenden Lungen und die bleierne Müdigkeit, die Stunden des Trainings dein Leben lang zu deinen treuen Begleitern machten, jederzeit ein gegen die Verantwortung, dein Leben planen zu müssen. Bist dir ohnehin ganz sicher: du willst das hier, mehr noch, bist gemacht worden für die Rolle, die du einnimmst. Kadettin, Staffelführerin, vielleicht Schwarm- oder Geschwaderführerin, wenn dein Weg von Erfolg gekrönt ist. Beißt die Zähne zusammen, atmest tief ein, tief aus - und hast Vertrauen. In dich, in deine Partnerin - ihre halb-durchsichtigen, orangefarbenen Flügel; ihr Feuer, euer Feuer, das unter deinen Fingerspitzen kitzelt. Gibt keinen Feind, den ihr gemeinsam nicht niederbrennen könnt, nur dich selbst, keine Angst, die größer ist als die Macht eurer Bindung. Bist genau an dem Ort, an den du gehörst. Hast es schließlich nicht anders gelernt.
Dabei seit: 04.03.2024, 13:59
Zuletzt gesehen: 10.07.2025, 15:11